Wie einfach ist mein Leben:
Geben, -  immer nur geben !
(Alter Brunnenspruch)

Professor Fritz Schieri gestorben   -   ein Nachruf

Bild "fritz_schieri.jpg"

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Obwohl wir von der Gefährdung durch Krankheit wussten, kam die Nachricht von seinem Tod kurz vor Vollendung des 87. Lebensjahres doch überraschend; sie löste bei vielen in unserer Gemeinschaft große Betroffenheit aus.

Vorstand, Führungskreis, Mitglieder und Kursteilnehmer der Werkgemeinschaft Musik trauern an der Seite der Familie über den Verlust eines guten Freundes und großen Vordenkers und Steuermannes in unseren Reihen. Die Erinnerung an sein Weilen unter uns und sein fast rastloses Wirken zugunsten der Ziele unserer Gemeinschaft erfüllt uns zugleich mit einer tiefen Dankbarkeit.

Fast 50 Jahre stellte sich Fritz Schieri der Werkgemeinschaft für die laufenden,   gelegentlich auch wechselnden und oft plötzlich anstehenden neuen Anforderungen selbstlos und stets verantwortungsvoll und verlässlich zur Verfügung. Bereits bei seiner ersten Teilnahme an einer Veranstaltung der Werkgemeinschaft Musik im Januar 1949 in Altenberg, die eigentlich dem Kennenlernen der ihm bis dahin fremden Gruppierung dienen sollte, übertrugen ihm die Organisatoren sowohl das Referentenamt für die Chorleiterschulung als auch die analytische und pianistische Darstellung des "Mikrokosmos" von Bela Bartok. Das fiel dem seit 1948 als Dozent an der Kölner Musikhochschule tätigen Dozenten nicht schwer. Die Zuhörerschaft - darunter der Unterzeichner - war voller Bewunderung über das Können und die "neuen Töne", die der handwerklich versierte und sehr junge bayerische Referent "anschlug". Fritz Schieri unterrichtete in Köln auch Johannes Aengenvoort, den Mitgründer und späteren langjährigen stellvertretenden Vorsitzenden der Werkgemeinschaft, der dort Kirchenmusik studierte und seinen Lehrer auf die Altenberger Tagung aufmerksam gemacht hatte.

Von da an war Fritz Schieri wichtiger und fester personaler "Bestandteil" der folgenden Jahrestagungen. Schon 1950 wählte man ihn zum Mitglied des Führungskreises, des zentralen Gremiums für alle Entscheidungen zur Konzeption und Organisation, zu Personalfragen und Veröffentlichungen. In der nächsten Arbeitssitzung erklärte er sich bereit, bei der pädagogischen Fortbildungsveranstaltung "Musik in Jugend und Schule " in den Osterferien 1951 in Altenberg - wenige Tage nach seiner Hochzeit -  die Chorarbeit und den Übungskurs Chorleitung auch für die Folgejahre zu übernehmen. Nach dem frühen Tod des Gründungsmitglieds und genialen Chorleiters Josef Kemper im September 1953 nahm er in dessen Nachfolge die Wahl zum Vorstandsmitglied  der Werkgemeinschaft an.

In beiden Gremien, Vorstand und Führungskreis, regte Fritz Schieri 1954 mit Erfolg die Edition von alten und besonders von neueren Kompositionen im "Christophorus-Chorwerk" in Kooperation mit dem Christophorus-Verlag bei Herder in Freiburg an, die er dann selbst betreute und die mit 46 Einzeleditionen über fast 15 Jahre Bestand hatte. In dem von ihm im Verlauf der folgenden Jahre im Rahmen der Aktivitäten der Werkgemeinschaft gegründeten "Arbeitskreis für junge Komponisten" fand er für das "Chorwerk" manchen Mitherausgeber für einzelne Ausgaben.

Fritz Schieri setzte sich als erster fachlicher Leiter für die Durchführung einer Chor- und Orchesterveranstaltung ein, die - zunächst in Ellwangen, dann in Wies bei Steingaden - zwar jeweils als Versuch startete, die sich nun jedoch seit mehr als fünfzig Jahren auch in mehreren Parallelveranstaltungen noch immer als äußerst erfolgreich erweist. Überhaupt war Fritz Schieri von 1950 bis 1997 als Leiter oder Referent an Planung und Durchführung zahlreicher Veranstaltungen der Werkgemeinschaft mit Chor- und Orchester oder mit kirchenmusikalischer Thematik jährlich regelmäßig beteiligt, die sämtlich sehr gut besucht und qualitativ gut besetzt waren sowie in Konzerten hervorragende Ergebnisse vorstellten.

Im Herbst 1972 war Fritz Schieri nach dem plötzlichen Tod von Günter Bernert, dem verdienstvollen Initiator und Mitgründer der Werkgemeinschaft sowie langjährigen versierten Vorsitzenden, bereit, dessen Nachfolge im Amt des Ersten Vorsitzenden in einer für die Werkgemeinschaft sehr schweren Zeit anzutreten, obwohl er erst wenige Monate vorher zum Präsidenten der Münchener Musikhochschule gewählt worden war.

Fritz Schieri war es auch, der 1979 nach dem unerwarteten Tod Johannes Aengenvoorts, des verdienstvollen Begründers und Anwalts bedeutsamer Aktivitäten in der Werkgemeinschaft, in Sorge um den Erhalt wichtiger Aufgaben- und Arbeitsbereiche an den Führungskreis die dringende Bitte richtete, "den Fortgang der Arbeitstagung für Kirchenmusiker in Ostberlin mit allen Mitteln zu garantieren" und - in Absprache mit dem damals neuen Vorsitzenden Professor Martin Kemper - empfahl, "Frau Cläre Bernert in der Geschäftsstelle unbedingt zu unterstützen".

Auffallend im Blick auf die Betätigungsfelder Fritz Schieris ist es, dass er - obwohl ohne Kirchenmusikexamen - auf höchste Ebenen kirchenmusikalischer Lehre und Praxis   berufen wurde: In beiden Musikhochschulen Köln und München bildete er spätere Komponisten für Kirchenmusik sowie u.a. auch Domkapellmeister und Domorganisten aus. Für den Schlussgottesdienst des Eucharistischen Weltkongresses in München 1960 wurde ihm der Auftrag erteilt, das Proprium "Cibavit" zu komponieren. Er erhielt dafür den 2. Preis im Kompositionswettbewerb; der 1. Preis wurde nicht vergeben. So lag es nahe, dass Fritz Schieri 1965, beim Beginn der Vorbereitungsarbeiten für das neue Einheitsgesangbuch "Gotteslob", von der Bischofskonferenz als Mitglied in die "Kommission für nicht-liedartige Gesänge" und als Leiter der Kommission "Psalmodie und Gemeindehoren" berufen wurde. Von Nutzen  war ihm für solche großen Aufgaben gewiß sein weitgespannter Rahmen kleiner und großer Erfahrungen aus den Aufgabenbereichen, die von denen des Regensburger Domspatzen über sämtliche Kirchenmusiker-Funktionen schon als Schüler und Student sowie als Ausbilder für Kirchenmusiker an Hochschulen bis zum Komponisten für alle Sparten vokaler Kirchenmusik reichten.

Schlüsselfunktion für die Übernahme solcher Aufgaben hatte gewiß die Mitarbeit Fritz Schieris im "Arbeitskreis für liturgisch-musikalische Fragen" der Werkgemeinschaft Musik, in dem nach seiner Aussage "ständig interessante Probleme der kirchenmusikalischen Gegenwart theoretisch und praktisch behandelt wurden, z.B. die ersten Kompositionen mit deutschen Proprien, die dann bei einer Jahrestagung ‚ausprobiert' wurden". In Kenntnis solcher Vorleistungen und Qualitäten wurde Fritz Schieri 1968 von der Deutschen Bischofskonferenz zum Mitglied in der "Arbeitsgemeinschaft Musik im Gottesdienst" (AMiG) berufen.

Es gab im Leben Fritz Schieris nicht nur die Werkgemeinschaft Musik und deren Aufgabenfelder, für die er sich engagierte; sie bildeten lediglich das Fundament und den Rahmen für ein dicht gewobenes  Geflecht von zahlreichen Funktionen und Tätigkeiten außerhalb unserer Gemeinschaft: u.a. Veranstaltungen und Vorstandstätigkeit für den früheren "Arbeitskreis für Hausmusik" (heute "Internationaler Arbeitskreis Musik"/ IAM); 1948 Gründung und anschließend Leitung der "Heinrich-Schütz-Kantorei Neuss" bis 1959; Vorstandstätigkeit für das "Institut für neue Musik und Musikerziehung" Darmstadt; Mitarbeit im "Verband der Musikschulen NRW's"; Mitarbeit im Trägerverein für die "Musische Bildungsstätte" (heute: Akademie) Remscheid; 1958 Gründung und anschließend Leitung des "Schönhausen-Chores" Krefeld; zahlreiche Musik- und Wortvorträge  u.a.m.

Angesichts eines solch umfangreichen Katalogs einsatzfreudiger und langjähriger Hilfs- und Dienstbereitschaft und Mitsorge für Menschen und die Musik - vornehmlich in, aber auch außerhalb der Werkgemeinschaft - ergibt sich augenfällig als Wurzel seines Handelns eine Motivation, wie sie der oben vorangesetzte Text eines alten Brunnenspruchs zum Ausdruck bringt, zu dem Fritz Schieri schon 1949 einen in mehreren Sammlungen veröffentlichten Kanon komponierte und der wie ein Sinnspruch für sein Leben gelten könnte.

Das musikalische Wirken Fritz Schieris in den zahlreichen Gruppierungen und Institutionen sowie sein Einsatz in den Gremien für das Einheitsgesangbuch "Gotteslob" erzielten auch höherenorts Aufmerksamkeit und Anklang. Papst Paul VI. verlieh ihm 1977 den Gregoriusorden und den Titel "Ritter des Hl. Gregorius" und der Bundespräsident 1992 das Bundesverdienstkreuz. Die Musikhochschule München ehrte ihren mehrfach wiedergewählten Präsidenten für seine Verdienste um die Hochschule 1987 mit der Ernennung zum Ehrenpräsidenten. Die Werkgemeinschaft Musik ernannte Fritz Schieri im gleichen Jahr zum Ehrenmitglied.

Fritz Schieri war ein leidenschaftlicher Musiker in den verschiedenen Rollen des Sängers und Instrumentalisten, des Theoretikers, Dirigenten und Dozenten; und eben auch ein leidenschaftlicher Komponist. Die Sammlung seiner Werke übersteigt die Anzahl 3000. Wer Fritz Schieri kennt, weiß, dass jedes der Stücke bis ins kleinste Detail "ausgefeilt" wurde.

Mit der Präsentation seiner Werke in der Öffentlichkeit hielt sich Fritz Schieri aber allzu bescheiden zurück. Er sagt in einem Interview mit dem Unterzeichner 1992 selbst dazu: "Ich habe Komponieren immer als einen wesentlichen Teil meiner musikalischen Arbeit betrachtet. Ich bin aber durch…vielfältige Verpflichtungen auf anderen Gebieten lange Zeit zu wenig zum Komponieren gekommen. Dazu kam, dass in den Jahren nach dem Krieg eine Art Diktatur der Atonalität herrschte, einer Art des Komponierens, der ich zwar die Berechtigung nicht versage, die mir aber nicht lag und liegt…Dann hatte ich mit Verlegern fast nur Pech, insofern mehrere Verlage nach einigen Jahren ihre Aktivitäten wieder einstellten. Schließlich liegt es mir nicht, mit meinen eigenen Werken ‚hausieren' zu gehen und sie demonstrativ in die Öffentlichkeit zu bringen."

Fritz Schieri hatte aufgrund seiner Begabung, seiner hohen Auffassungsgabe, seines Wissens und Könnens sowie seiner großen Liebe zur Musik Vieles zu geben. Viele von uns durften davon Hilfe und Förderung erfahren und daran Anteil nehmen. Darum sei ihm unser aller herzlicher Dank gewiß !

Dank gilt letztlich auch seiner verehrten Frau Luise, ohne die und deren fachliches Verständnis und Einfühlungsvermögen - nach seiner Aussage wie auch unserer Erkenntnis - er seine übernommenen Aufgaben hätte nicht erfüllen und auch sein Kompositionswerk nicht schaffen können.

Seine Kompositionen sind eine seiner zahlreichen Gaben an uns: sicher die umfangreichste und vielleicht die beste, ganz gewiß aber eine bleibende.

Im Auftrag von Vorstand und Führungskreis:

Heinz Bremer

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