Das Symbol des Christbaums
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Wenn man bei wikipedia das Wort „Festgeheimnis“ eingibt, kommt man zu keinen Ergebnissen. Das Wort kommt nicht mehr vor. Dabei war es früher mal ein beliebtes Wort, um Weihnachten zu beschreiben: an Weihnachten feiern wir etwas, was sich unserer Erkenntnis entzieht; deswegen sprechen wir von einem Geheimnis, einem sehr verborgenen Geschehen.
Heute kommt Weihnachten sehr handfest und greifbar daher: mit mindestens vier Wochen Dauerdeko in unseren Städten, kulinarischen Weihnachtsmärkten, diversen Weihnachtsfeiern und Beschallung aus allen Lautsprechern. Das ist nicht mehr geheimnisvoll; da weiß jeder, was er hat und was zu tun ist, auch wenn alle in schöner Regelmäßigkeit über den Stress stöhnen.
Aber ist das noch Weihnachten?
Nein; schon allein deswegen, weil es kein Geheimnis mehr ist, sondern ein sehr sichtbares Geschehen mit handfesten merkantilen Interessen und familiären Ritualen, die immer hohler zu werden drohen. Mit dem ursprünglichen Weihnachten, mit dem Festgeheimnis, hat das kaum noch etwas zu tun, und so muss man sich nicht wundern, dass alle Welt Weihnachten feiert, ohne die geringste Ahnung von diesem Ursprung zu haben.
Wenn aber Weihnachten ein Geheimnis ist, was lässt sich dann überhaupt darüber sagen? Die Rezitation der Weihnachtsgeschichte des Evangelisten allein dringt noch nicht in dieses Geheimnis ein. Es bleibt eine Geschichte, die ein äußeres Geschehen beschreibt, dessen Historizität im Laufe der Zeit immer fragwürdiger geworden ist. Die Deutungen dieser Geschichte in den Predigten, Büchern und theologischen Abhandlungen bleiben auch oft an Äußerlichkeiten oder moralischen Ableitungen hängen. Am ehesten noch scheinen mir Bilder oder Gedichte oder vor allem auch die Musik dem Geheimnis etwas näher zu kommen. Hier werden wir in Lebensbereiche geführt, die sich unserem Zugriff entziehen und die wir nur staunend wahrnehmen können.
Eine andere Möglichkeit, sich einem Geheimnis zu nähern, ist das Symbol. Das Symbol ist ein Zeichen, das für einen bestimmten Inhalt steht, es ist nicht der Inhalt selbst. Dennoch können Symbole wenigstens etwas von dem geheimnisvollen Inhalt rüberbringen.
Für dieses Jahr hab ich mir drei Symbole ausgewählt, die das Geheimnis von Weihnachten ausdrücken wollen: den Christbaum, die Krippe und die Geschenke.
Heute abend geht es um das Symbol des Christbaums, das erst relativ spät zu einem weihnachtlichen Symbol geworden ist. Aber heute ist Weihnachten ohne Christbaum kaum mehr denkbar. Er schmückt unsere Wohnungen und Kirchen, wie hier in St. Thomas; er steht schon vier Wochen vor Weihnachten in öffentlichen Einrichtungen und auf Weihnachtsmärkten. Er dient natürlich auch als Deko in den Shopping-Centern und elektrisch stilisiert als Weihnachtsbeleuchtung unserer Innenstädte.
An diesen Orten hat unser Weihnachtsbaum durchaus unterschiedliche Funktionen und ich glaube, es ist an der Zeit, sich wieder an die ursprüngliche Bedeutung dieses Symbols zu erinnern.
Vermutlich hat unser Christbaum gar nicht so christliche Wurzeln, wie sein Name vermuten lässt. Wie viele andere christliche Symbole hat er außerchristliche Ursprünge, die dann später eine christliche Deutung bekamen.
Stark verbreitet waren in unseren Breiten Feste zur Wintersonnenwende: Endlich wurden die Tage wieder länger und man durfte auf das nächste Frühjahr hoffen. Das galt es zu feiern und so trieb man Feuerräder die Berge hinunter. Das brachte Licht und Wärme in die Dunkelheit.
Im römischen Reich wurde am 25. Dezember das Fest des „Sol invictus“, des unbesiegbaren Sonnengottes gefeiert. Das Festmotiv war das gleiche: der Höhepunkt der Dunkelheit war überwunden, von nun an wurde es Tag für Tag heller.
Als die Christen im römischen Reich einen Termin für das Weihnachtsfest suchten, es gab wohl keine Geburtsurkunden von diesem Jesus aus Nazareth, da schien ihnen der 25. Dezember gerade recht: Dieser Jesus, so glaubten sie fest, ist der wahre Sol invictus. Er ist es, der Licht in die Dunkelheit unserer Welt gebracht hat. Und dabei ging es nicht nur um das physikalisch messbare Licht, sondern vor allem um das innere Licht, das die Herzen der Menschen erleuchtet und erwärmt.
Dieses Licht ist aber nicht so gut erkennbar wie die immer heller werdenden Tage: Darum brauchen wir Menschen etwas äußerlich Sichtbares, um uns an diese innere Wirklichkeit zu erinnern. Da ist der Weihnachtsbaum mit seinen vielen Kerzen ein beredtes Symbol. Er erleuchtet unsere Wohnungen, Kirchen, Häuser und Plätze und will damit auf seine Weise verkünden, dass mit Jesus das Licht in unsere Welt gekommen ist.
Und er hat noch eine zweite Bedeutung
Früher haben die alten Römer zum Fest der Sonnenwende sich grüne Zweige als Symbol für das neu erwachende Leben an die Häuser gesteckt. Die Germanen nannten den gleichen Brauch „Wintermaien“, der Glück, Leben und Wachstum bringen sollten. Und im 16. Jahrhundert ist auf einmal von einem „Weyenachtsmaien“ die Rede, der mit vergoldeten Nüssen und Äpfeln geschmückt ist. Das kommt dann unserm Weihnachtsbaum schon ziemlich nahe. Aber wie schon bei der Lichtsymbolik geht die neue christliche Deutung über die ursprüngliche hinaus, bzw. deutet diese um.
Wenn es bei den Römern und Germanen um ein Symbol des biologischen Lebens ging, meint der Christbaum den neugeborenen Jesus als das neue Leben, das nicht nur die Natur meint sondern auch Geist und Seele umschließt.
Erst dann, wenn er Christus als das Licht und das neue Leben symbolisiert, wird der Weihnachtsbaum zum Christbaum. In unserer Welt gibt es beide Versionen. Was ein Weihnachtsbaum und was ein Christbaum ist, liegt wohl eher im Auge des Betrachters.
Hubert Pfeil