Heino Schubert: 80 Jahre


Die Werkgemeinschaft Musik
gratuliert dem verdienten Komponisten, Hochschullehrer und Kirchenmusiker
zum Geburtstag am 11. April 2008


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Eine Institution bzw. Musikarbeitsgruppe, die wie die Werkgemeinschaft musikalische Breitenarbeit bis hin zu fachlicher Fortbildung vornehmlich in der Jugend betreibt, kann sich glücklich schätzen, wenn sie jemanden wie Heino Schubert in ihren Reihen hat, der nicht nur das vorhandene Repertoire exzellent interpretieren und vermitteln, sondern die in der jeweiligen Situation erforderliche Musik selber komponieren kann, ohne dabei sich selbst, seinem künstlerischen Anspruch und Stil untreu zu werden. Heino Schubert hat der Werkgemeinschaft und ihren Tagungsteilnehmern seine musikalische Kunst, sein Wissen und Können sowie seine pädagogischen Fähigkeiten als Referent und aktives Mitglied der Arbeitskreise "Liturgie" und "Komposition" in zahlreichen Veranstaltungen und Arbeitstagungen über viele Jahre bereitwillig und gerne zur Verfügung gestellt.

Andererseits leistete die Werkgemeinschaft ihm durch ihren Gründer und langjährigen Vorsitzenden Günter Bernert einen wichtigen Dienst bei der Entscheidung für seine endgültige berufliche Laufbahn als Kirchenmusiker, für die er sich auf dessen Anregung hin und auf Anraten der bei der Altenberger Jahreswerkwoche im Januar 1953 mit seiner Missa brevis in E befassten Referenten (u.a. Walter Wiora und Siegfried Reda) mit der Aufnahme des Kompositions- und Kirchenmusikstudiums 1954 in Freiburg entschied.

Jedoch die Vorstandsmitglieder der Werkgemeinschaft, insbesondere Günter Bernert und Gotthard Speer - beide landsmännisch-schlesische Freunde Heino Schuberts -, drängten schon 1954 darauf, ihn bald als Referent bei ihren Fortbildungstagungen einzusetzen, die in dieser Zeit wegen des großen Bedarfs an Singe- und Chorleitern in den Gemeinden und Jugendgruppen vermehrt angeboten wurden. Denn kaum ein anderer aus dem Kreis potentieller Referenten war aufgrund des Studiums so umfassend vorbereitet für die Referententätigkeit in den Veranstaltungen der Werkgemeinschaft wie Heino Schubert. Ihm standen fundierte Kenntnisse aus den Studiengängen für Schulmusik (Examen 1953 in Detmold), Kirchenmusik (Examen 1957 in Freiburg) und für Privatmusiklehrer zur Verfügung; er hatte gediegene Fähigkeiten erworben unter Anleitung erstklassiger Lehrer in den Studienfächern Chorleitung (u.a. bei Kurt Thomas mit Reifeprüfung), Komposition (u.a. bei Günther Bialas und Harald Genzmer), Klavier (bei Edith Picht-Axenfeld) und Orgel (u.a. bei Michael Schneider) und dazu eine Fülle von Erfahrungen sammeln können in der Vermittlung bzw. Praxis als Chorleiter mit mehreren Chören, als Lehrer einer Schule in Schondorf am Ammersee im Klassenunterricht, als Lehrbeauftragter für Orgel mit Studenten an der Musikakademie Detmold und als Korrepetitor am Lippischen Landestheater in Detmold.

Zu seiner Ausstattung für die Referententätigkeit zählt sicher auch die schon früh begonnene langjährige und umfangreiche musikpraktische Tätigkeit als Chorsänger und Instrumentalist (neben Orgel auch Klavier, Flöte und Cello) und nicht zuletzt seine musikalische Begabung und deren frühe Förderung in Elternhaus (die Eltern spielten Klavier, leiteten ihre Kinder ebenfalls dazu an und "begleiteten" die alltäglichen Spiele der Kinder u.a. mit vierhändigen Mozart-Sonatinen und Haydn-Symphonien) und Privatmusikunterricht (ab 6. Lebensjahr). Wer Heino Schubert in Veranstaltungen der Werkgegemeinschaft erlebt hat, würde gewiß auch seine Einstellung dem Lernenden gegenüber erwähnen und diese mit "freundlich, sachlich und vor allem humorvoll bezeichnen". Den Teilnehmern der ab 1955 wiederholt stattgefundenen Musikwochen in Kleve, Freckenhorst, Wohldenberg, Burg Gemen und Paderborn sind Arbeit und Erlebnisse mit Heino Schubert in bester Erinnerung geblieben.

Nur "am Rande" sei vermerkt, dass Heino Schuberts Heimatstadt Glogau in Niederschlesien, in der er bis zu seinem 17. Lebensjahr weilte, - ähnlich wie sein Nachname - als ein Omen für seine Neigung zur Musik und die frühe positive Reaktion seiner Eltern und Musiklehrer angesehen werden könnte, denn das in Glogau bereits um 1470 in Gebrauch befindliche und musikhistorisch berühmte ‚Glogauer Lieder- und Musikbuch' "zählt als Zeuge eines hochentwickelten bürgerlichen Musiklebens zu den zentralen spätmittelalterlichen deutschen Musikdenkmälern von mehr als landschaftlicher Bedeutung". (W. Salmen, MGG). In seinem Oratorium "Der Mensch, das Spiel der Zeit" nach Texten von Andreas Gryphius, dem bedeutendsten deutschen Barockdramatiker, der in Glogau geboren und gestorben ist, hat Heino Schubert seiner Heimatstadt ein markantes musikalisches Denkmal gesetzt. Er arbeitete über zwei Jahre an diesem Werk in der größten Form, die er jemals komponierte.

Durch seine Tätigkeit bei der Werkgemeinschaft und vor allem durch seine Kompositionen wurde Heino Schubert nach Abschluss seiner Studien in Detmold 1953 und Freiburg 1957 bald auch in überörtlichen und größeren Musikkreisen bekannt. Bei den "Festlichen Tagen Musik" des AMJ 1954 in Passau wurden gesellige Chorlieder von ihm und bei der gleichen Veranstaltung 1956 in Münster seine Missa für 3stimmigen gemischten Chor und obligate Orgel von 1952 aufgeführt, bei der er als Organist mitwirkte.

Bald auch wurde die kirchliche Öffentlichkeit auf Heino Schubert aufmerksam, was er mit Genugtuung, aber auch mit Bescheidenheit wahrnahm. Denn Kompositionen zu Katholikentagen oder anderen religiösen Großveranstaltungen zu schreiben, ist für an geistlicher Musik interessierte Komponisten eine besondere Aufgabe und Auszeichnung. Im Rückblick meint Heino Schubert: "Ich hatte das Glück und die Freude, Musik ganz oder in Teilen für etliche Katholikentage schreiben zu dürfen: für Köln 1956, Stuttgart 1964, Essen 1968, Aachen 1986, Berlin 1990 und Mainz 1998."

Auch für die Veranstaltungen aus Anlaß der Besuche von Papst Johannes Paul II. in Deutschland mit den Großveranstaltungen im Berliner Olympiastadion und im Gelsenkirchener Parkstadion erhielt Heino Schubert von den Veranstaltern Aufträge, die Musik zu komponieren. "Seine Kompositionen waren musikalische Höhepunkte bei Katholikentagen, bei dem Gottesdienst mit Papst Johannes Paul II. im Gelsenkirchener Parkstadion, bei Diözesankirchenmusiktagen, Chorfesten und anderen kirchlichen bzw. kirchenmusikalischen Ereignissen. Darüber hinaus sind seine Messgesänge im Gesangbuch "Gotteslob" liturgisches Allgemeingut im gesamten deutschsprachigen Raum." (R. Schuhenn, Vorwort in Lit. 1)

Obwohl Heino Schubert seit seiner frühen Jugend schon einige kontrapunktische Versuche unternommen und auch mehrere anerkannte Zeugnisse seiner Begabung für das Komponieren vorgelegt (u.a. mit ca. 13 - 14 Jahren Orgel- und Chorsätze zu Liedern aus dem "Kirchenlied" sowie Stücke für Klavier und andere Instrumente) und eine eigene Kadenz zu dem D-Dur-Flötenkonzert von Mozart (KV 314) für Querflöte dargeboten sowie "ersten ernstzunehmenden Kompositionsunterricht" bei Kapellmeister Roth in Flöha absolviert hatte, entschied er sich 1947 im Studium an der damaligen Detmolder Musikakademie (später Hochschule für Musik) zunächst nicht für das Kompositionsstudium. "Ich hatte eigentlich gar nicht die Absicht zu komponieren; ich hielt alles, was ich bisher geschrieben hatte, angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Entwicklung in der Neuen Musik, für unmöglich. Mir schien keine Möglichkeit gegeben, Anschluß zu bekommen." (Lit. 1, S. 38)

An dieser Selbsteinschätzung hat Heino Schubert Gott sei Dank nicht festgehalten. Durch Analysestudien bei Kompositionsprofessor Wilhelm Maler zur Vorbereitung auf eigene Versuche angeregt und vertieft interessiert an den sehr anregenden Darbietungen über Neue Musik (u.a. von Carl Orff) sowohl des 1948 nach Detmold berufenen Professors für Komposition und Musiktheorie Günter Bialas als auch des in Detmold lehrenden Orff-Schülers Wilhelm Keller, studierte er zwei Semester strengen Kontrapunkt bei Bialas, schrieb dabei u.a. eine dreistimmige Messe "im Palestrinastil" und wurde von ihm, der Schuberts Vorliebe für Kirchenmusik und seine Kenntnisse" darin erkannte, in seine Kompositionsklasse aufgenommen. Bialas war ein hervorragender Theorielehrer; viele begabte Studierende strebten in seine Klasse, die er immer wieder motivierte, viele Stücke zu schreiben. Heino Schubert komponierte in kurzer Zeit mehrere Klavierstücke, Kammermusik und Chorlieder.

Das bei Bialas erworbene Rüstzeug konnte Heino Schubert in seinem zweiten Studium (Kirchenmusik und Komposition) in Freiburg ab 1954 besonders im Kompositionsunterricht bei Prof. Harald Genzmer durch intensives Grundlagenstudium mit der Harmonie lehre von Paul Hindemith sowie die Erfahrung von zunehmender Weite und Toleranz in der Wahl der Satztechniken und -mittel gewinnbringend ergänzen. Als frühe Ergebnisse dieser Zeit legte er in schneller Folge mehrere Kompositionen (u.a. ein Bläserquintett, die Violoncello-Sonate und drei Motetten zu Christi Himmelfahrt) vor. Für die Motetten erhielt er 1957 den Kompositionspreis des Südwestfunks.

Auf diese Weise reichhaltig ausgerüstet für das Komponieren und mit dem gleichzeitig 1957 in Freiburg erworbenen staatlichen Kantorenexamen standen Heino Schubert nun "viele Türen offen" zum angestrebten lebendigen und vielgestaltigen Umgang mit Musik im Kreis von aufgeschlossenen und interessierten Menschen. Schon bald boten ihm diese "Türen" den Durchgang an zu neuen Instituten und Positionen. Noch während einer knapp vier Jahre dauernden Kantorentätigkeit (1957 - 1961) an der Jesuitenkirche in Heidelberg übernahm er 1960 eine Dozentenstelle an der Musischen Bildungsstätte in Remscheid. Das kurz vorher gegründete Bistum Essen berief ihn 1961 auf die Stelle des Domorganisten. Im gleichen Jahr nahm er eine Dozentur für Tonsatz und Orgel an der Folkwang-Hochschule Essen an, von der er 1974 für die gleichen Fächer an die Musikhochschule Köln wechselte. Als letzte berufliche Aufgabe übernahm Heino Schubert 1978 (bis 1991) eine Professur für Musiktheorie und Tonsatz an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.

Was einer seiner Essener Studenten über Heino Schubert einmal gesagt und geschrieben hat, kann man gewiß für alle seine Wirkungsstätten, von der Schule in Schondorf am Ammersee bis hin zur Universität in Mainz, als gültig ansehen, was auch die Teilnehmer seiner Veranstaltungen bei der Werkgemeinschaft Musik bestätigen können: "Heino Schubert war wegen seiner menschlich verbindlichen Art, verbunden mit seinen außerordentlichen musikalischen und pädagogischen Fähigkeiten bei den Studenten sehr beliebt." (Lit. 2)

Das aber gilt nicht nur für den Menschen Heino Schubert, das trifft auch im Grunde für seine Kompositionen zu, die inzwischen zu dem umfangreichen Gesamtwerk von über 500 Titeln angewachsen sind. (Siehe Werk- und Notenverzeichnis in Lit. 1 SS. 84 -107). "Seine Werke begeisterten damals schon (und begeistern auch noch heute) vornehmlich viele junge Leute - zu einer Zeit, als das sogenannte ‚Neue geistliche Lied' noch gar nicht etabliert war. Viele heute erwachsene Sängerinnen und Sänger bzw.Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker erhielten Primärimpulse zu ihrer ‚kirchenmusikalischen Berufung', weil sie schon als Kinder bei Heino Schubert auf der Orgelbank der Essener Domorgel sitzen durften. Generationen von Kirchenmusikern im Bistum Essen verdanken ihm die Beherrschung ihres "Handwerkszeuges" im Tonsatz und im Orgelspiel. Zahlreiche Chöre verweisen mit Recht sehr stolz auf ihr großteils mit Werken Heino Schuberts bestücktes Repertoir." (H. Schuhenn, Vorwort zu Lit. 1)

Im Rückblick auf Heino Schuberts Lebensweg als Komponist können wir dankbar feststellen, dass auch die kulturelle Öffentlichkeit und die Leitungen kultureller Förderinstitutionen die künstlerische Entwicklung des Komponisten Heino Schubert wohlwollend und würdigend begleitet haben. Schon für sein Studium in Freiburg ab 1954 erhielt er eine Förderung durch die Deutsche Studienstiftung. Auffallend früh wurde ihm 1958 auch der "Rompreis" zuerkannt, ein Stipendium für einen halbjährigen Aufenthalt in der römischen Villa Massimo. 1960 verlieh ihm die Stadt Stuttgart ihren Kulturpreis, 1961 die Künstlergilde Esslingen den Förderpreis des Johann Wenzel Stamitz-Preises und 1964 der Kulturkreis im BDI den Kompositionspreis. Der Papst ernannte Heino Schubert 1968 zum Ritter vom Heiligen Sylvester, und 1987 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. Das Land Niedersachsen erkannte ihm 1988 den Ostdeutschen Kulturpreis Schlesien zu, und 1992 die Künstlergilde Esslingen den Johann Wenzel Stamitz-Preis.

Die Werkgemeinschaft Musik reiht sich mit diesen Erinnerungen an Stationen aus Leben und Werk ihres verdienten Referenten und Mitarbeiters Heino Schubert gerne ein in die Schar der Laudatoren und Gratulanten am Festtag des vollendeten 80. Lebensjahres und sagt ihm für seine langjährige Mitgliedschaft und die herausragende kompositorische Arbeit im Sinne ihrer musikalischen und religiösen Ziele herzlichen Dank!
In diesen Dank schließen wir seine verehrte Ehefrau, die den Jubilar ihr Leben lang selbstlos und weitgehend begleitet und unterstützt hat, ebenso gerne mit ein.

Vorstand, Führungskreis und Mitglieder wünschen Heino Schubert und seiner Frau im Kreise ihrer sechs Kinder und der Enkelschar Glück und Gottes Segen für die weitere Lebenszeit!

Heinz Bremer

Literatur über Heino Schubert:

Lit. 1: C. Anhalt und E. Gropp, Der Musiker Heino Schubert.
Biographische und musikalische Aspekte,
Pulheim 1998 (Arno Musik Verlag)
Lit. 2: W. Schütz, Erinnerungen an meinen Lehrer Heino Schubert.
Unveröffentl. Manuskript,
Essen 1998
Lit. 3: R. Liebrand, Die Entwicklung der katholischen Kirchenmusik in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die liturgischen Vokalkompositionen Heino Schuberts.
Hildesheim ca. 2002 (Verlag Olms)
Lit. 4: G. Pankalla und G. Speer, Zeitgenössische schlesische Komponisten,
Dülmen 1973. Darin:
H. Schubert, Eine Selbstdarstellung.