Die Königspsalmen - Zusammenfassung


In der Wieser Herbst-Musikwoche der Werkgemeinschaft (18.-24.10.2021) waren die täglichen Laudes thematisch und musikalisch durch die „Königspsalmen“ geprägt. Sie wurden jeweils kurz erklärt und dann nach der Psalmodie des Gotteslobs gesungen. Von den acht Königspsalmen wurden fünf ausgewählt: Ps 93 (GL 52); 2 (GL 32); 45 (GL 43); 72 GL 47) und 110 (GL 59).

Die folgende bibelkundliche Zusammenfassung bezieht sich auf die gesamte Reihe.


  1. Die acht Königspsalmen des Psalters (Ps 2; 20; 21; 45; 72; 89; 110; 132) stellen den König in Israel und Juda in das Zentrum der jeweiligen Dichtung. Sie beten für den König, sie rühmen seinen hohen, fast göttlichen Rang und erinnern ihn an seine Aufgaben.
      
  2. Alle Königspsalmen sind von der altorientalischen Königsideologie geprägt. Nach ihr ist der König mit dem Tag seiner Thronbesteigung „Sohn Gottes“, „sein Gesalbter“, er thront zur Rechten Gottes. Als Stellvertreter Gottes auf Erden hat er die göttliche Weltordnung durchzusetzen und für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen. Im Auftrag seines Gottes bekämpft er die Störer und Leugner der göttlichen Weltordnung („die Feinde“) und macht sie unschädlich. Als oberster Priester gilt er auch als Verantwortlicher von Gottesdienst und Gottesverehrung (Ps 20,4; 110,4).
      
  3. Israelitisches Eigenprofil zeigt Ps 72, wenn der König zum Anwalt und Befreier der Armen und Schwachen der Gesellschaft wird. Auch die Ablehnung von Rüstung und Krieg (Ps 20,8) rückt den König in Israel vom militärischen Gebaren der Großmächte ab.
      
  4. Trotz aller Verherrlichung des Königs sind seine Gefährdungen und die seiner Dynastie spürbar (vgl. Ps 21,8: „wanken“, Ps 2,1.2: „Feinde, Völker“). Ps 89 sucht sogar, das Scheitern des Königtums in Israel zu verarbeiten, klagt seinen Gott massiv dafür an, findet aber im moralischen Versagen der einzelnen Könige die Ursache für das Scheitern (Ps 89,31-33).
      
  5. Zeitlich sind die Königspsalmen noch von den vorexilischen Monarchien in Israel und Juda geprägt, wenn sie auch ihr Scheitern (587/586 v. Chr.) schon kennen; daher sind sie wohl erst nach der Katastrophe verfasst. Sie projizieren die alten Verheißungen für David und seine Dynastie (2 Sam 7) auf einen neuen messianischen König aus dem Haus Davids.
      
  6. Das Dichter-Ich tritt in der Widmung von Ps 45,2 deutlich hervor. Seine Bitten und Wünsche für den König sind in den Kreisen von Hoftheologen und königlichen Beratern zu suchen; in Ps 110,1 nennt der Dichter den König „mein Herr“. Als gläubig betende Gemeinde lässt sich wiederholt eine Wir-Gruppe erkennen, so in Ps 20,8-10; 21,14; 89,47-49; 132,6.
      
  7. Die Zeugnisse der ersten christlichen Gemeinden im NT (Evangelien und Briefe, besonders der Hebräerbrief) übertragen die altorientalische Königsideologie (s. Punkt 2) und ihre Titel auf Jesus: „Sohn Gottes“, „Gesalbter des Herrn“ („Messias“), „Thronender zur Rechten Gottes“, „Sohn Davids“, „Hoherpriester“.
      

Theo Seidl